Buch "Federnlesen"

„Federnlesen – Vom Glück, Vögel zu beobachten“ von Johanna Romberg

Vögel beobachten – das war für mich stets ein Hobby für ältliche Herren in beigefarbenen Multifunktionswesten mit Feldstecher um und Lederhut auf. Also kurz gesagt: etwas für spießige Langweiler. Dann aber begeisterte sich meine Freundin Susanne für das Vogelbeobachten. Ich fand das am Anfang etwas schrullig. Doch je mehr sie mir davon erzählte, desto mehr weichte meine Haltung auf. Erst ganz unmerklich, aber dann ertappte ich mich immer öfter dabei, beim Spaziergehen durch den Park oder Wald auf Vogelgezwitscher zu achten oder mich plötzlich beseelt zu fühlen, wenn ich tatsächlich einmal ein Vögelchen erspähen konnte – jenseits von Amseln, Spatzen, Tauben und Krähen. Irgendwann lud ich mir dann auch die NABU-Bestimmungsapp auf mein Smartphone und beschloss, mich von nun an diesem neuen Hobby zu widmen.

Und was soll ich sagen: Ich bin absolut untalentiert darin, mir ein Dutzend von Merkmalen eines Vogels wie Schnabellänge und -form, Fußfarbe, Schwanzlänge oder die Farben von Brust, Rücken, Kopf auf einmal zu merken. Meine Trefferquote in der Bestimmungsapp ist also mehr als mies. Stets bekomme ich für meine vagen Bestimmungsmerkmale mehrere Treffer angezeigt. Stets erscheinen mir alle Treffer himmelweit von dem Tier entfernt, das ich gesehen habe. Wenn ich mal länger unterwegs bin in der Natur und Vögel sehe, ist es fast immer so, dass ich mein Fernglas vergessen habe. So bleiben meist alle Vögel grau oder schwarz, weil ich viel zu weit weg bin. Trotzdem bin ich weiter mit Eifer dabei – als passive Birderin, könnte man sagen.

Vogelquiz in Ostfriesland

Als ich dann das Buch „Federnlesen – Vom Glück, Vögel zu beobachten“ von Johanna Romberg entdeckte, habe ich es mir gekauft. Natürlich weil mich dieses Buch wieder ein Stück weiterzubringen schien auf meinem Weg zur erfolgreichen Birderin, aber auch, weil es kein herkömmliches Buch über das Vogelbeobachten ist. Hier schreibt eine Frau, noch dazu eine Journalistin, Redakteurin und Autorin des Magazins Geo und selbst seit Kindertagen passionierte Birderin, über ihre ganz persönlichen Erfahrungen, Erinnerungen und Gefühle beim Beobachten von Vögeln. Beim Lesen wird sie zur Führerin durch Stadt, Wald und Flur, die das beschreibt, was sie für bedeutsam hält, was sie am Birding begeistert. So erzählt sie, wie sie als kleines Kind durch ihre Eltern zum Birding kam, aber dass sie ihre eigenen Kinder nie wirklich dafür hat begeistern können.

Vom Mauersegler zum Goldhähnchen

In ihrem Buch nimmt sie die Leser zum Beispiel mit zu einer Frankfurter Spezialklinik für abgestürzte Mauersegler. Genauso wie Johanna Romberg habe ich als Kind gehört, dass man am Boden gelandete Mauersegler nur in die Luft werfen müsse, damit wie wieder fliegen können. „Die Folgeschäden dieses Gerüchts sind in etlichen der grauen Boxen zu besichtigen: Vögel, die nach einem unfallbedingten Sturz aus der Luft noch ein weiteres Trauma erlitten haben, durch einen wohlmeinenden, aber fehlinformierten Retter.“

Gut gefallen hat mir auch das Kapitel über ihre Exkursion in den Plagefenn, der Teil des Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin ist. Der Wald gilt als europäisches Eldorado für Spechte. Dort sucht sie den Dreizehen-Specht, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hat. Begleitet wird sie dabei von einem der bekanntesten Ornithologen Deutschlands, Martin Flade. Die Spechte lassen sich während der Exkursion zwar nicht blicken, doch erfahre ich, dass es vom Totholz eines Waldes abhängt, wie lebendig er ist und wie viele verschiedene Arten von Spechten es gibt.

Ich lerne mit jedem Kapitel neue Vögel kennen, teils mit sehr lustigen, lautmalerischen Namen: die Heckenbraunelle, den Prinzengirlitz oder das Goldhähnchen. Jede Art mit ihren Eigenheiten, und alle wachsen mir ans Herz.

Was das Buch von Johanna Romberg zusätzlich auszeichnet, ist, dass sie ihre Leser auch über die Zusammenhänge von Ausgleichszahlungen, Monokulturen, Subventionen, EU-Agrarpolitik und Artensterben informiert – und wie beispielsweise das Verschwinden des Rotmilans mit dem Bau von Windparks zusammenhängt und dass Biogasanlagen die reinsten Gewässerverschmutzer sind.

Im letzten Kapitel fährt Johanna Romberg schließlich in die Lüneburger Heide, um mit dem Sonnenaufgang ein Open-Air-Konzert der besonderen Art zu erleben: Um 3.30 Uhr kommt sie ganz alleine in dem stockdunklen Wald an, damit sie kurz nach vier direkt zum Beginn des Konzerts der erwachenden Vögel dabei ist. Ich stelle mir das wahnsinnig schön vor und würde das auch sehr gerne einmal erleben, aber ich glaube, dass ich mich das nicht trauen würde: so ganz allein im finsteren Wald.

Ein Päckchen Vogelfutter
Keine Werbung: nur ein Schmankerl für Wild- und Singvögel auf dem Balkon

Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen, auch für Menschen, die nicht unbedingt Hobby-Ornithologen sind. Es bringt einem die Natur und seine Arten näher. Ich habe viel gelernt und mich überaus gut unterhalten gefühlt. Beim Lesen habe ich immer ein Stückchen das Fenster geöffnet, damit ich das Vogelgezwitscher hören konnte. Und schon war ich auf allen Exkursionen von Johanna Romberg noch mehr mit dabei. Denn eins lässt sich von mir sagen: Ich bin wirklich eine sehr talentierte passive Birderin.

Das Buch „Federnlesen – Vom Glück, Vögel zu beobachten“ von Johanna Romberg ist im Lübbe-Verlag erschienen. Es ist nicht nur schön zu lesen, es ist auch noch schön anzusehen: durch die wundervollen Illustrationen von Florian Frick.