Brücken üben auf die meisten Menschen eine Faszination aus, auch auf mich. Ich liebe Brücken: die kleinen selbstgebauten aus Steinen und Treibholz, die über Bachläufe führen, damit man sich nicht die Füße nass machen muss, die schmucklosen aus Beton, die meist so im Kontrast zur Umgebung stehen, dass sie fast außerirdisch wirken, und die großen ewigen aus Stahl, die wie Torwächter Einlass zur je anderen Seite gewähren.
Wenn ich eine Brücke überqueren muss, habe ich stets das Gefühl, als ob es ein gewisses Restrisiko gäbe, dass die Brücke unter mir einstürzen wird. Deshalb ist mir beim Überqueren einerseits ein wenig schwubberig, aber andererseits das Adrenalin zu spüren, ist auch ein willkommener Nervenkitzel. Fahre ich mit dem Zug nach Köln, und der Zug muss auf der Brücke halten, startet sofort mein Kopfkino, das sich ausmalt, dass gerade heute die Brücke nachgeben, der Zug mit mir drin auseinanderreißen und in die Tiefe stürzen wird. Wenn der Zug dann endlich weiterfährt, bin ich sehr erleichtert. Wieder mal davongekommen.
Man könnte es Brückenneurose nennen
Gestern bin ich mit dem Rad über eine große Brücke in Düsseldorf gefahren, die Oberkasseler Brücke. Auch hier habe ich wieder mal den Blick streng nach vorne auf die andere Seite gerichtet und nicht über das Geländer auf den Fluss, um so das drohende Unheil auszublenden. Dass ich Höhenangst habe, muss ich wohl nicht eigens erwähnen.
Als ich aber vor einigen Jahren San Francisco bereiste, war natürlich klar, dass ich die Golden Gate Bridge zu Fuß überqueren wollte. Ich war schon sehr früh wach, weil ich erleben wollte, wie die Brücke früh aus dem Nebel steigt, bis sie dann in voller Pracht zu sehen ist, wenn die Sonne den Nebel auflöst. Für mich und meine Brückenneurose eine echte Herausforderung. Und natürlich habe ich mich ihr gestellt.
Auf der Brücke war es unfassbar kalt und windig. Die Kälte ging mir durch Mark und Bein. Dazu noch der Nebel, der eine unheimliche Atmosphäre erzeugte. Und dass alles sehr weit über dem Meer. Ich hatte die ganze Zeit über starke Herzklopfen – aber auf eine gute Art, die Angst und Glück in Takt bringt. Die Brücke ist wahnsinnig schön. Nicht nur wegen ihrer Konstruktion, ihrer Lage, der Legenden, die sich um sie ranken.
Auch diese besondere rostbraune Farbe, die jeden Tag an irgendeiner Stelle der Brücke neu aufgetragen werden muss, und die Straßenlaternen im Retro-Look machen die Golden Gate so unvergleichlich. Ein grandioser, erhabener Anblick! Ein Anblick, den man nie vergisst.