Foto: Etienne Girardet auf unsplash.com
Was ist Solidarität eigentlich genau? Was kann sie leisten? Wann handeln wir solidarisch? Und wann nicht? Antworten auf diese Fragen hat mir der Philosoph und Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Robin Celikates im Interview für das Magazin dialog gegeben.
Solidarität ist ein sehr abstrakter Begriff, zu dem man unterschiedliche Definitionen finden kann. Wie würden Sie Solidarität beschreiben?
Solidarität ist ein relativ vager Begriff, der von politischen Akteuren, von der EU, von der Regierung, von vielen Medien und sozialen Bewegungen auf sehr unterschiedliche Weise und zum Teil auch auf widersprüchliche Weise verwendet wird. Man wird wahrscheinlich den Streit um die richtige Definition von Solidarität nicht ganz auflösen können. Was hilft, ist Solidarität erstmal abzugrenzen von benachbarten Begriffen, wie beispielsweise Hilfsbereitschaft oder, im religiösen Kontext, Barmherzigkeit. Sie überlappen mit Solidarität, weil man auch bei ihnen die Vorstellung hat, mit anderen Menschen in Not zusammenzustehen. Dieses Zusammenstehen ist sehr wesentlich für die Begriffsgeschichte von Solidarität. Allerdings ist Solidarität schon von vornherein mehr auf Symmetrie ausgerichtet, also darauf, dass Menschen sich auf Augenhöhe begegnen, zusammenstehen und zusammen auch eine gemeinsame Herausforderung annehmen und zu bewältigen versuchen.
Bei Hilfe und Barmherzigkeit steht auf der einen Seite der Helfer, auf der anderen Seite die klar definierte Gruppe, der geholfen werden muss und die relativ passiv bleibt. Die Beziehung ist asymmetrisch. Hierbei geht es weniger um die strukturellen Hintergrundbedingungen, die dazu geführt haben, dass diese Situation aufgetaucht ist.
Weiterlesen