Jedes Jahr im Sommer fahre ich für ein verlängertes Wochenende nach Bad Kissingen. Ich freue mich immer schon drauf, weil ich an diesem Ort sehr gut entspannen kann. Irgendwie fühle ich mich dort so, als ob ich in eine Zeitmaschine eingestiegen sei, die verschiedene Zeiten übereinander lagern kann. Und so finde ich mich in einer Dimension vor, die ganz viel Neuzeit, aber auch ein bisschen 50er Jahre und 20er Jahre miteinander verwoben hat. Dieser Zeiten-Teppich ist über eine hügelige Landschaft in sattem Grün gelegt.
Ich denke, dass Bad Kissingen in früheren Zeit eine vielbesuchte Kur-Stadt war. Der riesige Kurpark und die vielen Kur- und Reha-Einrichtungen, die es hier gibt, legen immer noch Zeugnis davon ab. Sehr viele ältere Menschen besuchen die immer noch drei Mal am Tag stattfindenden Konzerte des Kurorchesters, das eine Mischung aus in dieser Generation beliebten Operetten-Stücken und lieblichen Klassik-Melodien zum Besten gibt. Ich muss gestehen, auch ich setze mich schon mal in so ein Konzert. Dann fühle ich mich sofort in meine frühe Kindheit zurückversetzt, in der sonntags nachmittags Operetten und Musikfilme mit Anneliese Rothenberger und René Kollo gezeigt wurden, wenn nicht gerade Theo Lingen und Peter Alexander heile Welt und Schabernack inszenierten.
Der Glanz früherer Zeiten hat in Bad Kissingen Patina angesetzt. Wunderschöne Jugendstil-Gebäude stehen leer oder wurden in Verwaltungsgebäude der Stadt umgewandelt. Aus dem verbliebenen Ensemble etwas Neues zu formen, das, so scheint mir, fällt der Stadt schwer.
Ich genieße bis dahin weiter das Patchwork aus verschiedenen Zeiten und die schöne Natur und beobachte, wohin sich die Stadt bewegt. Was für eine Stadt sie sein will.